Positionen

Bauamt Radevormwald = Bau-Staatsanwaltschaft

14.12.2009 von Jürgen Wustmann

In Radevormwald-Kronenberg wollen meine Frau und ich ein altes Gebäude umbauen. Leider wurde dieses Vorhaben von der Baustaatsanwaltschaft in Radevormwald (auch Bauamt genannt) durchkreuzt.
Kronenberg
Nachfolgend ist unsere Sicht zum Baustopp dargestellt


Vor Beginn der Umbauarbeiten wurde ein Antrag auf Vorbescheid gestellt. Nach einem positiven Bescheid ohne Auflagen wurde ein Bauantrag eingereicht. Dieser wurde ebenfalls ohne Auflagen genehmigt. Im August 2007 wurde mit dem Abbruch der rückwärtigen Scheunen begonnen. Im Januar 2008 begannen die Umbauarbeiten am vorderen Gebäudeteil.

Am 13. Aug. 2008 wurde ein Baustopp ausgesprochen

Die Stadt Radevormwald wirft uns darin vor, wir hätten zu Unrecht vorhandene Bausubstanz durch neue ersetzt. Auch wenn sich die äußeren Ausmaße sowie die äußere Erscheinung des Gebäudes hierdurch nicht ändern, sei der Austausch von Bausubstanz in dem vorgenommenen Maße nicht von der erteilten Baugenehmigung gedeckt.

In der Baugenehmigung sind aber keinerlei Auflagen erkennbar, aus denen ersichtlich wäre, dass die Bausubstanz erhalten werden muss. Selbst im Genehmigungsverfahren wurde keine Aufstellung, die vorhandene und neue Bauteile gegenüberstellt und bewertet, verlangt. Diese wurde erst kurz vor Erteilung des Baustopps von einem Mitarbeiter der Verwaltung angefordert. Da wir von der genehmigten Kubatur des Gebäudes nicht abgewichen sind, sahen wir keine Probleme auf uns zu kommen. Das Vorhaben ist exakt in den äußeren Ausmaßen des ursprunglich beantragten Gebäudes errichtet worden. Durch die Erneuerung von maroder Bausubstanz wurde keine größere Nutzfläche erzielt.

Aus unserer Sicht enthält die erteilte Baugenehmigung keine Vorgaben hinsichtlich der Erhaltung der vorhanden Bausubstanz. In den Stilllegungsverfügungen argumentiert die Stadt Radevormwald, die Baugenehmigung sei auf Basis des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB erteilt worden (erhaltenswerte Bausubstanz). Im gesamten Genehmigungsverfahren kam dies aber so nicht zum Ausdruck. Der § 35 läßt unter (4) 2. b) aber die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes zu, wenn das vorh. Gebäude Mißstände aufweist. Deutlich ist verlangt worden, die vordere Decke in der ehemaligen Gaststätte zu erhalten, "Irgend etwas muss erkennbar erhalten bleiben" Zitat eines Bauamtsmitarbeiters. Im ersten Antrag auf Vorbescheid, der noch unter dem Namen des Alteigentümers lief, sollten die hinteren Scheunen noch mit genutzt werden. Im Dach war aber ein unschöner Versprung der mit dem Umbau ausgeglichen werden sollte. Hier wies der Mitarbeiter der Verwaltung eindeutig darauf hin, dass diese Veränderung der äusseren Gestalt nicht genehmigt würde. Daraus haben wir geschlossen, die äussere Kubatur darf auf jeden Fall nicht verändert werden. Bei einem Ortstermin mit 2 Mitarbeitern der Verwaltung stellten wir die Frage, ob wir das Gebäude käuflich erwerben könnten. Dies wurde bejaht. Bis dato sind wir davon ausgegangen, das nur der Vorbesitzer so weitreichende Umbaumassnahmen durchführen darf. Daraufhin wurde der Antrag auf Vorbescheid in unserem Namen gestellt und das Gebäude bis zum Versprung des Daches reduziert. Diese Reduzierung entspricht etwa 25% der seinerzeitigen Gesamtkubatur. Das Gebäude wurde also wesentlich zurückgebaut.

Die Stadt hätte während des Genehmigungsverfahrens klarstellende Auflagen treffen müssen, wenn es ihr auf die Erhaltung der Bausubstanz besonders angekommen wäre. Da wir aber keinerlei Änderungen an dem genehmigten Bauentwurf vorgenommen haben, konnten wir nicht erkennen, dass nach Auffassung der Stadt ein Widerspruch zu der erteilten Baugenehmigung vorliegt. Das Vorhaben wäre auch aktuell auf Basis des § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig. Diese Vorschrift besagt: Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Entsprechende öffentliche Belange sind in § 35 Abs. 3 BauGB aufgeführt. Diese Belange sind im vorliegenden Fall eindeutig nicht beeinträchtigt. Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen, in denen von erteilten Baugenehmigungen abgewichen wird, wollten wir uns keinerlei zusätzliche Nutzfläche, zusätzliche Räume o. ä. verschaffen. Die äußeren Proportionen des Gebäudes bleiben komplett unverändert. Die abgebrochenen Bauteile wie Bruchsteine, die von Wänden stammen die nicht fachgerecht gegründet waren, wurden nicht entsorgt sondern sortiert und auf dem Grundstück zur Wiederverwendung gelagert. Mit diesen Bruchsteinen soll das ursprüngliche Erscheinungsbild wieder hergestellt werden, jedoch mit einer zeitgemässen Baukonstruktion, die die heutigen Anforderungen an den Wärmeschutz erfüllt und über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgeht, um das Gebäude damit zukunftsfähig und energieeffizient zu gestalten. Die Wände des Obergeschoßes waren ursprünglich teilweise verputzt und verkleidet. Die eigentliche Konstruktion war also nie sichtbar. Eine Dachkonstruktion, die noch die alten Sparren beinhaltet, ist ebenfalls nicht energieeffizient nutzbar. Die erhaltenswerten tragenden Stützen der Dachkonstruktion wurden entsprechend der genehmigten neuen Deckenhöhen angepasst und nicht erhaltenswerte Stützen und Kopfbalken werden aus erhaltenswertem Bestand erneuert. Nur so ist letzendlich historische Bausubstanz einer ständigen sinnvollen Nutzung zuzuführen. Alte Gebäudesubstanzen ohne weitreichende Wärmeschutzmaßnahmen sind nicht ständig nutzbar, sie haben nur einen musealen Charakter, der nur zu bestimmten Zeiten genutzt werden kann, da ansonsten die Heizkosten unerschwinglich wären. Der Gesetzgeber müsste eigentlich einen Zuschuss zu den Heizkosten gewähren, wenn er soviel Wert auf den Erhalt alter Bausubstanz legt.

In rein städtebaulicher Hinsicht führt das Vorhaben zu keinerlei Verschlechterung gegenüber dem Zustand, den auch die Stadt Radevormwald ursprünglich als genehmigungsfähig erachtet. Wenn wir Teile der Bausubstanz ausgetauscht haben, so liegt dies einzig und allein daran, dass sich erst nach Beginn der Baumaßnahme gezeigt hat, dass bestimmte Bereiche der alten Bausubstanz nicht nutzbar waren. Wir gingen nicht davon aus, dass sich, wenn erst nach Beginn der Baumaßnahme Substanzschwächen erkennbar sind, eine Fortsetzung der Baumaßnahme automatisch unzulässig sein soll.

Bei dem Austausch maroder Bausubstanz ging es uns einzig und allein darum, eine dauerhafte Substanzerhaltung bei zeitgemässer Nutzung sicherzustellen.

Ein weiterer Vorwurf der Dezernatsleiterin besteht darin, das ein Einergiesparhaus im Aussenbereich so nicht ohne weiteres zugelassen wird. Da müssen wir uns allerdings fragen ob die Dezernatsleitung ernsthaft nichts von den steigenden Energiekosten mitbekommen hat? Sie scheint auch nicht zu wissen, daß die Anforderungen der Energieeinsparverordnung inzwischen verschärft worden sind. Sie scheint den Aussenbereich bewusst zu benachteiligen, was verfassungsrechtlich sehr bedenklich ist. Auf eindringlichen Vorschlag der Bauamtsleitung wurde der Petitionsausschuss des Landtages angerufen. Dieser begutachtete das Gebäude am 22. Juli 2009. In der anschließend stattgefunden Beratung im Rathaus wurden vom Petionsausschuss Vorschläge zur Lösung der Problematik vorgetragen. Diese wurden aber von den unterschiedlichen Baubehörden zurückgewiesen. Zitat der obersten Bauaufsicht: "Ich habe kein Problem damit, das Gebäude abzureissen" Wir lassen dies hier unkommentiert.

Aber warum fordert man uns auf, den Petionsausschuss anzurufen, lehnt aber deren Lösungsvorschläge ab. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß uns eine führende Persönlichkeit der Stadtverwaltung gegenüber Dritten unterstellt, für die Baugenehmigung wäre Geld geflossen. Daß man uns dies vorwirft ist die eine Seite, aber die andere ist, daß auch damit unterstellt wird, das Bauamt hätte Geld angenommen.

Zum Vorwurf der Stadtverwaltung, ich als Architekt bin vom Fach und hätte den Sachverhalt wissen müssen, folgendes:
Ja, ich bin vom Fach. Und gerade deshalb habe ich es so umgesetzt. Die Verwaltung sieht nur Ihre Paragraphen und nicht den baufachlichen Sachverhalt. Mir als Architekt geht es auch um die Bausubstanz, um den zukünftigen Bewohnern eine zeitgemässe Nutzung zu ermöglichen. Das Bauamt blendet diesen Aspekt, besonders im Aussenbereich und bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden, gerne völlig aus. Den dortigen Protagonisten scheint es egal, unter welchen Umständen und Nachteilen die Gebäude genutzt werden müssen, Hauptsache die Paragraphen werden eingehalten. Dabei werden diese noch zudem extrem streng ausgelegt, den vom Gesetzgeber gewollten Spielraum ignoriert man geflissentlich. Es bleibt, besonders in unserem Fall, der Eindruck von Willkür und persönlichen Anomisitäten. Selbst der Bürgermeister verstrikt sich in Widersprüche. Bei einem Gespräch von Handwerkern, die sich für unser Bauvorhaben einsetzten, sicherte dieser jedwede Unterstützung für das Bauvohaben zu, wenn der Petitionsausschuss grünes Licht gibt. Warum geht er nicht auf die Vorschläge des Petitionsausschusses ein? Auch der Vergleich zu der Person, die uns angeschwärzt hat, hinkt. Hier geht das Gerücht um, er hat uns angezeigt, weil er den Umbau seiner Scheune nicht genehmigt bekommen hat. Was hat eine Scheune mit einem ehemaligen Restaurant und Wohnhaus gemein? Aus unserer Sicht nichts. Sie sind deshalb nicht vergleichbar und können als Einzelfall entschieden werden. Wovor hat die Stadtverwaltung eigentlich Angst? Pikant ist in dem Zusammenhang, daß die Person die uns angezeigt hat und uns unterstellt, wir hätten für die Baugenehmigung Geld bezahlt, also das Bauamt bestochen, ein und dieselbe Person ist. Aus unserer Sicht wird ein Fehler des Genehmigungsverfahrens auf unserem Rücken ausgetragen. Einerseits wird behauptet uns helfen zu wollen, gleichzeitig werden aber sämtliche Lösungsansätze verworfen.

Der Bürgermeister und die Bauamtsleitung haben in mehreren Gesprächen, die von involvierten Personen und Gruppen geführt wurden, klar gemacht, dass die Vorgaben des Petitionsausschusses umgesetzt werden. Dies empfinden wir inzwischen als Pharce. Dies geht einher mit einer gewissen Ratlosigkeit, Wut und gesteigertem Misstrauen gegenüber Behörden, die nicht mehr wissen für wen sie da sind.


1. Ergänzung 08.10.2010

Noch unverständlicher wird die Einstellung der Behörde zu Energiesparhäusern im Außenbereich bei Umsetzung des kürzlich verabschiedeten Energiekonzeptes der Bundesregierung. In diesem Konzept sollen Nachbauten bewusst gefördert werden.

Bei anderen Bauvorhaben zückt die Bauamtsleitung zur Lösung von Problemen die Skizzenrolle um eine Genehmigung zu ermöglichen, siehe auch den Beitrag "Abbruch/Neubau an der Burgstraße". Bei unserem Vorhaben ignoriert sie jeden Lösungsvorschlag.

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